Zum Phasenraum des großkanonischen Ensembles.
Für den Phasenraum eines klassischen großkanonischen Ensembles geht man zunächst vom Phasenraum eines klassischen kanonischen Ensembles aus, weil dieses eine feste Teilchenanzahl N hat und man somit nur den Phasenraum der Punktmechanik nehmen muss, den man kennt.
Das heisst, jedes der N Punktteilchen hat 3 Ortskoordinaten und 3 Impulskoordinaten.
Sind die Orte unbeschränkt (also die Teilchen nirgendwo eingeschlossen), dann ist der
Phasenraum für N Teilchen schlicht
Werden die Teilchen durch ein Potenzial in einen Kasten eingesperrt, stehen jedem Teilchen
also nur Orte in einer Teilmenge zur Verfügung,
dann wird man als Phasenraum für das kanonische Ensemble gleich
wählen.
Aus den Phasenräumen für die kanonischen N-Teilchen-Ensembles bildet man den
großkanonischen Phasenraum durch disjunkte Vereinigung über alle Teilchenzahlen N:
Für die Beispiele der StatPhys1-VU reichen diese Phasenräume aus.
Allgemeiner könnte die Bewegung der N Punktteilchen wie in der Mechanik durch Zwangsbedingungen eingeschränkt sein. In diesem Fall sind die verallgemeinerten Orte Punkte im N-Teilchen-Konfigurationsraum Q_N. Zu einem verallgemeinerten Ort sind die verallgemeinerten Orte und Impulse Punkte im Kotangentialraum des Konfigurationsraums,
etwas salopp . Der N-Teilchen-Phasenraum ist der Kotangentialraum des Konfigurationsraums,
.
Der großkanonische Phasenraum ist wieder die disjunkte Vereinigung:
Mit diesem Räumen arbeitet man aber fast nur in der mathematischen Physik. In der theoretischen Physik schreibt das kaum ein Mensch wirklich so hin. In der klassischen statistischen Physik führt man die Rechnungen bevorzugt mit dem kanonischen Ensemble durch und transformiert erst danach auf das großkanonische Ensemble. Die großkanonische Zustandssumme ist schlicht eine Reihe von gewichteten (Gibbs-Faktoren!) kanonischen Zustandssummen. Daher bekommt man diese sofort aus den kanonischen Zustandssummen.
In den kanonischen Zustandssummen kann man für Hamiltonfunktionen der Gestalt
,
immer die kinetische Energie hinausfaktorisieren, wenn diese von keinen Ortskoordinaten abhängt.
Man hat dann in der kanonischen Zustandssumme ein reines Impulsintegral
als Faktor stehen, das immer gleich ist. Man braucht "nur" mehr die Integrale über die potenziellen Energien auszurechnen. Diese Prozedur führt man für jedes N aus. Damit erhält man die kanonischen Zustandssummen und setzt diese in die Reihe für die großkanonische Zustandssumme ein.
Quantenmechanisch hingegen rechnet man bevorzugt im großkanonischen Ensemble, weil sich nur dort viele Terme zusammenfassen lassen, und drückt die Ergebnisse lieber mit Hilfe von Besetzungszahlen aus (-> Fockraum, 2. Quantisierung).
Das mikrokanonische Ensemble verwendet man fast nie für konkrete Berechnungen, weil diese sehr schnell kompliziert werden können. Das mikrokanonische Ensemble verwendet man eher als Hilfsmittel und Ausgangspunkt für die physikalische Bedeutung der Modelle der statistischen Physik: "Alle in Frage kommenden Zustände sind gleichverteilt", dh., jeder Zustand ist gleich wahrscheinlich. Das ist eine recht leicht verständliche Bedeutung. Von dieser Bedeutung ausgehend erhält man die anderen Ensembles mit Legendre-Transformationen (bzw. Laplace-Transformationen).
Das für unseren Alltag (also wenn man nicht an abgefahrenen Physik-Experimenten im Labor sitzt oder für solche Theorie macht) wichtigste Ensemble wäre eigentlich ein ganz anderes: Das sog. "isotherm-isobare-Ensemble" oder "(T,P,N)-Ensemble", manchmal auch "pressure ensemble" genannt. Für dieses Ensemble sind Temperatur T, Druck P und Teilchenzahl N vorgegeben. Es liefert als thermodynamisches Potenzial die Gibbs'sche freie Energie G = U - TS + PV mit . In offenen Gefäßen wird nämlich die Temperatur durch die Umgebungstemperatur vorgegeben sein und der Druck durch den Umgebungsdruck. Fast die gesamte Thermochemie wird mit diesem Ensemble gerechnet. Auch die wichtigsten makroskopischen Materialgrößen ergeben sich sofort als zweite Ableitungen von G:
http://en.wikipedia.org/wiki/Material_p ... ynamics%29
Man bekommt das (T,P,N)-Ensemble in der Physik aber fast nie vorgestellt, weil es ganz einfach blöd direkt zu berechnen ist. Auch ist sein Zustandsraum nicht so einfach hinzuschreiben: Immerhin kann das Volumen ja variabel sein, somit müsste man alle in Frage kommenden Mengen für die Orte eines Teilchens irgendwie einbauen... Stattdessen rechnet man kanonisch oder großkanonisch mit anschließender Legendre-Transformation (Laplace-Transformation). Deshalb lernt man in der Statistischen Physik das für die Bedeutung wichtige mikrokanonische Ensemble und die für die Rechnung wichtigen kanonischen und großkanonischen Ensembles und schweigt sich klassisch über den Zustandsraum des GK-Ensembles aus.
Hoffe geholfen zu haben...
6. Tutorium am 27.5.2011
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Re: 6. Tutorium am 27.5.2011
Danke, sehr inspirativer Beitrag! Hoffe es folgen noch weitere Posts dieser Art
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Re: 6. Tutorium am 27.5.2011
Das Problem ist, dass es zu einem Volumen sehr viele "zulässige" Mengen geben kann, deren Maß ist, oder?aka hat geschrieben: Man bekommt das (T,P,N)-Ensemble in der Physik aber fast nie vorgestellt, weil es ganz einfach blöd direkt zu berechnen ist. Auch ist sein Zustandsraum nicht so einfach hinzuschreiben: Immerhin kann das Volumen ja variabel sein, somit müsste man alle in Frage kommenden Mengen für die Orte eines Teilchens irgendwie einbauen... .
Deshalb kann man nicht ohne Weiteres (analog zum GK-Ensemble) den Phasenraum als Vereinigung sämtlicher Phasenräume wählen, also etwa
,
und die Zustandsdichte wie im (groß)kanonischen Ensemble "herleiten", also
schreiben.
(Mit letzterem Ausdruck meine ich, dass an einem Punkt den Wert hat, wobei C eine feste Konstante ist.)
Denn wird ja schon allein deshalb nicht (im naheligenden Sinn) normierbar sein, weil
in den "meisten" Fällen (zB beim idealen Gas, also E(q,p)=|p|^2/2m) unendlich ist, falls es für unendlich viele "zulässige" mit gibt.
Ist das der Grund, warum man den Fall mit "V variabel" nicht so wie den mit "N variabel" behandeln kann?
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Re: 6. Tutorium am 27.5.2011
@Anna:
Ja, das ist zum Teil ein Grund. Man kann sich entweder dadurch behelfen, dass man nur eine fixe Form vorgibt (zB. Kasten oder Kugel) und diese Form nur skaliert. Dann kann man die Skalierungsparameter als Variablen nehmen und das Volumen durch sie ausdrücken. Fast alle Physik- oder Chemiebücher, die das (T,p,N)-Ensemble behandeln, gehen diesen Weg.
Verändert man hingegen wirklich die Geometrie, dann sollte man für die mechanische Arbeit statt p dV sowieso besser verwenden. Mit der beliebigen Veränderung der Geometrie bekommt man sofort unendlich viele Freiheitsgrade, weshalb man besser gleich mit Feldern rechnet. Das Umrechnen von den auf die ändert dann nicht mehr so viel...
Die Thermodynamik mit Feldern ist im Landau-Lifschitz ausgeführt, IIRC. Ist aber sicherlich nicht Stoff für StatPhys1.
Ja, das ist zum Teil ein Grund. Man kann sich entweder dadurch behelfen, dass man nur eine fixe Form vorgibt (zB. Kasten oder Kugel) und diese Form nur skaliert. Dann kann man die Skalierungsparameter als Variablen nehmen und das Volumen durch sie ausdrücken. Fast alle Physik- oder Chemiebücher, die das (T,p,N)-Ensemble behandeln, gehen diesen Weg.
Verändert man hingegen wirklich die Geometrie, dann sollte man für die mechanische Arbeit statt p dV sowieso besser verwenden. Mit der beliebigen Veränderung der Geometrie bekommt man sofort unendlich viele Freiheitsgrade, weshalb man besser gleich mit Feldern rechnet. Das Umrechnen von den auf die ändert dann nicht mehr so viel...
Die Thermodynamik mit Feldern ist im Landau-Lifschitz ausgeführt, IIRC. Ist aber sicherlich nicht Stoff für StatPhys1.
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Re: 6. Tutorium am 27.5.2011
Sollte die Entropie nicht zunehmen, wenn man das Volumen vergrößert? Der Phasenraum wird ja dadurch größer.Anna1 hat geschrieben:
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Re: 6. Tutorium am 27.5.2011
Hast Recht, sollte E+VP heißen in der Klammer.